"Die zweite Geburt heilt die erste." Das waren die wenigen Worte meiner lieben und vertrauten Hebamme, als ich - gerade wieder schwanger geworden - in einem Gespräch mit ihr die belastenden Erinnerungen an meine erste Geburt versuchte zu verarbeiten.
Vor der ersten Schwangerschaft hatte ich mich kaum jemals mit dem Thema Babies und Kinder beschäftigt, hatte wenig Wissen und mir noch weniger eine eigene Meinung dazu gebildet. Ich lebte mein Leben im Wesentlichen so weiter wie bisher. Natürlich, das Glas Wein ab und zu war gestrichen und auch die Ernährung habe ich ein wenig angepasst. Aber ansonsten war mein Leben schon recht eng getaktet und hatte eine hohe Geschwindigkeit. Das sehe ich aber erst jetzt so, mit mehr Abstand. Meine erste Schwangerschaft war geprägt von einem Mehr-als-Vollzeit-Job mit Personalverantwortung auf der einen Seite und unserem Hausbau und Umzug auf der anderen Seite.
Mitten rein in diese Situation platze mir ein paar Wochen früher als erwartet die Fruchtblase - ohne jegliche Anzeichen von eigenen Wehen. Liegendtransport ins Krankenhaus, Geburtseinleitung, Antibiotikum, erfolglose PDA-Versuche, Wehentropf, Schmerzmittel. Dazu musste mein Baby direkt nach der Geburt mit Atemproblemen kinderärztlich untersucht und dafür von mir getrennt werden. Der Aufbau der Bindung sowie der Stillbeziehung fiel mir dann erstmal sehr schwer.
In mein Gedächtnis hatte sich in der Folge eine große Angst vor einer Geburtseinleitung und den Folgen allopathischer Medikation eingeprägt.
Während vieler Gespräche konnte ich mein Vertrauen in mich und meinen Körper wieder aufbauen, vor allem aber innerlich loslassen und annehmen, dass ich den Verlauf nicht selbst in der Hand halte. Möglicherweise wird es Schwierigkeiten geben, möglicherweise passieren Dinge, die ich mir so nicht gewünscht habe. Dann aber habe ich nicht versagt oder Fehler gemacht. Hier darf ich mich vom Leistungsdruck lösen, hier gibt es kein "gut gemacht" oder gar ein "schlecht gemacht". Wir können hilfreiche Rahmenbedingungen schaffen, den bevorzugten Geburtsort wählen, eine Beziehung zur Hebamme aufbauen, nur im Notfall in den natürlichen Verlauf eingreifen. Dennoch können wir ein so existenzielles Ereignis wie die Geburt eines neuen Erdenbürgers nur teilweise beeinflussen. Die Geburt habe ich deshalb ganz bewusst in Gottes Hände gelegt. Ich durfte spüren, wie ich den inneren Druck, selbst verantwortlich zu sein, abgeben konnte und mich neu auf die zweite Geburt eingelassen habe. Unvoreingenommen.
Als am Tag des errechneten Entbindungstermins von Wehen weit und breit noch nichts zu merken war, blieb ich ruhig und zuversichtlich. Die eigenen Wehen werden schon noch kommen. Und außerdem ist dieser Termin ja doch recht willkürlich gesetzt. Eine weitere Woche später wurde ich langsam unruhig, wünschte ich mir doch für die Geburt so sehr eigene Wehen. Ich ahnte schon, dass ich in ein paar Tagen vor der Entscheidung für oder gegen eine Geburtseinleitung stehen würde. Im Gespräch mit meiner Hebamme und der begleitenden Ärztin stimmte ich dann zehn Tage nach den errechneten Termin zu, sanft und ohne Zeitdruck mit einer Geburtseinleitung zu beginnen. Dafür wurde ich am Morgen im Krankenhaus aufgenommen, für das ich mich im Vorfeld entschieden hatte. Dort kenne ich die meisten Hebammen bereits, dort arbeitet meine vertraute Hebamme als Beleghebamme und wird mich unter der Geburt begleiten.
Das einleitende Gel fühlt sich unangenehm an. Ich merke eine unangenehme Spannung im Körper, ich spüre, dass es ein unnatürlicher Eingriff in den Geburtsablauf ist. Damit es mir besser geht, bewege ich mich so viel wie möglich an der frischen Luft. Für die Pausen und die Kontrolltermine habe ich zwei gute Bücher, Hörspiele und viel Musik dabei. Mit dem Wissen, wie sehr mein Baby mich in den nächsten Wochen brauchen wird, kann ich mich noch einmal innerlich ausrichten auf das, was kommt, und die unverplante Zeit einfach genießen.
Abends habe ich leichte Wehen, die nachts aber wieder schwächer werden. Eigentlich ist für den Morgen ein weiterer Einleitungsversuch vorgesehen. Da ich aber schon seit dem Frühstück etwas Bewegung spüre, einige ich mich mit der diensthabenden Hebamme darauf, damit noch ein paar Stunden zu warten. Das ist im Krankenhausablauf ganz sicher nicht selbstverständlich und durchaus bemerkenswert. Ich bin ihr dafür wirklich sehr dankbar. Nach einem ausgedehnten Spaziergang bekomme ich Wehen, die so stark sind, dass ich sie veratmen muss. Nur eine Stunde später habe ich dann auch das Bedürfnis, im geschützten Raum des Kreißsaals zu bleiben. Es geht los. Ich bin unendlich froh.
Gut vier Stunden später halte ich mein zweites Kind in den Armen.
Es war keine einfache Geburt. Es gab einige kritische Situationen, in denen eine Spontangeburt in Frage stand. Aber ich habe meinen Frieden mit dem Geburtsverlauf gefunden. Es war alles gut und richtig so, wie es war. Trotz einiger Eingriffe, die leider nötig wurden, konnte ich mein großes Baby noch mit der Nabelschnur direkt nach der Geburt auf dem Bauch behalten, sehr bald zum Stillen anlegen und den Zauber der ersten Zeit einfach nur genießen.
Das erfüllt mich mit unendlicher und tiefer Dankbarkeit.
Eure Mama von ZweiKleiner3