Montag, 9. Oktober 2017

Wie ich wieder mehr zu mir selbst fand.

Lange Zeit habe ich täglich am Rande meiner Kräfte und meiner Nerven gelebt, seitdem der kleine Sohn mobil wurde und unser Familienleben dadurch deutlich turbulenter. Mit der Zeit habe ich mich selbst so sehr verloren, dass ich permanent "außer mir" war. Es fiel und fällt mir noch immer zu oft sehr schwer, in angespannten Situationen ruhig zu bleiben und meinen Kindern die Sicherheit zu geben, nach der sie sich so sehr sehnen und die sie so sehr brauchen. Gerade wenn die große Tochter in großer Anspannung scheinbar grundlos auf "den Kleinen" einschlägt und beißt, fehlt mir der Blick für ihre große Not und ich konzentriere mich nur auf ihre Handlungen, die an schlechten Tagen von viel Aggression und Wut geprägt sind. Ihre Hilflosigkeit und ihre Suche nach Halt und Worten und Führung sehe ich dann meistens erst hinterher so deutlich, dass mir die Tränen in die Augen kommen. Viel zu oft reagiere ich dann in der Situation unangemessen, wütend und laut und bin nicht in der Lage, mich wieder zu erden. Meine Fähigkeit zur Selbstregulation ist mir verloren gegangen.

Mir ist nur zu bewusst, dass ich meine eigenen Bedürfnisse viel zu lange vernachlässigt habe und viel Arbeit vor mir liegt, um meine Ausgeglichenheit wiederzufinden. Leider sind manche meiner Bedürfnisse nach Planung, Struktur, Ordnung und vor allem auch nach Selbstwirksamkeit nur sehr schwer mit Kindern vereinbar. Es führt aber auch in eine Sackgasse, diese Bedürfnisse für eine längere Zeit hinten an zu stellen. Das habe ich über 3 Jahre lang gemacht und kämpfe nun mit den Folgen. Ich leide sehr darunter, dass mein Leben von den Kindern und ihren Launen bestimmt wird. Unser Familiengefüge ist etwas aus dem Gleichgewicht geraten und muss wieder neu justiert werden.

Auszeiten von der Kinderverantwortung, in denen ich einen Kaffee trinke, etwas lese oder zum Sport gehe, tun gut und sind sehr angenehm. Für mich sind solche Pausen aber nicht essentiell, denn viel wichtiger ist eine sinnvolle Aufgabe neben der Kindererziehung. (Und nein, ich meine mit dem Wort "Erziehung" nicht, dass ich denke, meine Kinder irgendwie formen zu müssen. Ich möchte sie in ihrer Entwicklung gleichwürdig begleiten.) Meine Zeiten zum Auftanken sind die, in denen ich meine innere Energie spüre, Projekte anpacke, etwas erschaffe oder erreiche und damit meine Selbstwirksamkeit spüre. Und das, ohne ständig unterbrochen zu werden oder auf die Uhr zu schauen, wann ich die Kinder wieder irgendwo abholen muss. Mein Traum ist es, ein paar Tage am Stück einfach nur für mich selbst verantwortlich zu sein und dabei beispielsweise ohne Unterbrechung das Wohnzimmer zu streichen und neu zu gestalten. Utopisch, ich weiß.

Dennoch habe ich in den letzten 8 Wochen einiges getan und jeder Schritt ist ein kleiner Baustein hin zu mehr innerer Ruhe, Zufriedenheit und Ausgeglichenheit. Und so sehr ich die Zeit mit dem kleinen Sohn zu Hause genossen habe... ich freue mich, dass ich ihn seit einigen Wochen täglich für einige Stunden in die Kinderkrippe bringen darf, wo er fröhlich seine ersten Schritte ohne meine unmittelbare Begleitung tun darf.

Gleichzeitig habe ich nach und nach kleine und größere Änderungen im Alltag vorgenommen, um mit jeder Änderung einer Normalität wieder etwas näher zu kommen.

1. Wir waren diesen Sommer zweimal im Urlaub. Purer Luxus, und ich bin zutiefst dankbar, dass wir uns das leisten konnten und wollten. Aber - die Urlaube haben mehrere Dinge bewirkt: Einerseits war ich von der Verantwortung für die kulinarische Verpflegung entbunden und konnte wirklich mal loslassen und die Zeit genießen, ohne an die nächste Mahlzeit zu denken. Außerdem haben wir als Familie viel Zeit in Bewegung und an der frischen Luft verbracht, jedoch durch die Kinderbetreuung vor Ort auch einzelne Stunden nur für uns als Ehepaar gehabt. Nicht zuletzt hat uns all dies aus dem eingelaufenen Alltagstrott herausgeholt und uns gezeigt, dass auch andere Wege und Tagesabläufe möglich sind und uns gut tun.

2. Mit der Motivation aus dem Urlaub haben wir manche Abläufe im Alltag verändert. Und ich habe klar und unmissverständlich mehr Unterstützung im Alltag von meinem Mann eingefordert. So werde ich nun nicht mehr jeden Morgen aus dem Schlaf gerissen und muss sofort funktionieren, sondern wir können die Aufgaben unter uns aufteilen.

3. Ich habe ein persönliches Coaching von familylab in Anspruch genommen. Der größte Mehrwert aus diesem Coaching war für mich eine neu gewonnene Sicherheit in meinem Tun und meinem Umgang mit den Kindern.

4. Ich habe aufgehört, andere Blogs, Online-Ratgeber, Instagram Bilder usw. zu lesen und anzuschauen. Auch wenn jedes einzelne für sich interessant ist, so hat es mich doch nur zu einem ungesunden Streben nach scheinbarer Verbesserung meines Lebens geführt. Es geht ja immer noch stylischer, noch ausgefallener, noch natürlicher, noch radikaler, noch gesünder, noch kreativer... Das ist aber nicht mein Leben und ich will mein Leben davon nicht bestimmen lassen. Deshalb: Schluss damit!

5. Ich habe meinen Fokus wieder viel mehr auf persönliche, echte Beziehungen gelegt. Die wenige freie Zeit, die mir bleibt, nutze ich lieber für echte Gespräche.

6. Ich habe mir eine Mentorin im Freundeskreis gesucht, die ähnliche Werte und Ideale hat wie ich und mit älteren Kindern schon einen Weg hinter sich gebracht und Erfahrung gesammelt hat.

7. Ich konzentriere mich stärker darauf, dass ich meine frei verfügbaren Zeiten für Projekte nutzen, die mir Spaß machen und mir gut tun. Ich möchte Sinnvolles tun und Aufgaben übernehmen, bei denen ich nicht nur Mutter bin. Das ist nicht (nur) ein Wiedereinstieg in den Beruf, sondern auch ehrenamtliche Aufgaben. Zum Beispiel habe ich auf einem Gemeindefest fotografiert und daraus eine kleine Diashow für die Gemeinde erstellt, die im Gottesdienst gezeigt wurde.

8. Über allem steht, dass ich mein Vertrauen und meine Suche wieder dorthin wende, wo ich sicher Hilfe bekomme. Das ist für mich der Gott der Bibel, der in einer Beziehung zu uns leben will. Diese Beziehung möchte ich wieder mehr pflegen durch Gebet, Lesen in der Bibel und Gespräche mit lieben Menschen, die den Glauben mit mir teilen. Ich darf in einer tiefen Gewissheit leben, dass Gott über allem steht und denen, die Gott lieben, alles zum Guten werden lässt. Mit dieser Zuversicht möchte ich neu in jeden Tag starten und darf darauf vertrauen, dass Gott mir bei steht. Halleluja!

Eure Mama von ZweiKleiner3